Die Frage, warum überhaupt etwas existiert, hat es nicht in den Katalog der sieben Welträtsel von Emil du Bois-Reymond geschafft. Dabei handelt es sich dabei wohl um die fundamentalste Frage aller Fragen, die sich Menschen je gestellt haben. In allen Weltgegenden und Epochen findet man Schöpfungsmythen, die erzählen, wie die Welt aus dem Nichts hervorgegangen ist. Auch die moderne Naturwissenschaft hält eine solche Schöpfungsgeschichte bereit. Demnach ist unser Universum aus einem Urknall (Big Bang) hervorgegangen. Vor ungefähr 14 Milliarden Jahren war die gesamte Energie des Universums in einem winzigen Punkt des Raumes konzentriert. Danach dehnte sich der Raum aus einem unbekannten Grund sehr rasch aus, das Universum kühlte sich dabei ab und die Energie kondensierte zu den Materieteilchen, die sich zu den Himmelskörpern zusammenlagerten und die chemischen Verbindungen bildeten, aus denen später das Leben auf der Erde und möglicherweise auch auf anderen Planeten entstand. 

Allerdings kann die Urknall-Theorie drei große Fragen nicht beantworten: War die Entwicklung des Universums bis hin zu intelligenten Lebewesen wie uns Menschen zwangsläufig? Hätte das Universum auch anders aussehen können? Und warum hat der Urknall stattgefunden? Albert Einstein dachte in seinen letzten Lebensjahren vertieft über die Frage nach, ob Gott eine Wahl bei den physikalischen Gesetzen und den darin vorkommenden Naturkonstanten hatte. Nach Meinung vieler heutiger Physiker und Kosmologen wäre es durchaus vorstellbar, dass in einem Universum andere physikalische Gesetzmäßigkeiten herrschen könnten und die Anfangsbedingungen des Urknalls hätten anders ausfallen können. Allerdings wären dann auch keine Menschen entstanden, weil es in den meisten Fällen überhaupt keine Strukturen im Universum gegeben hätte - keine Sterne, keine Galaxien, keine Atome, keine chemischen Verbindungen und folglich auch keine intelligenten Lebewesen, die über das Weltall nachdenken könnten. Damit also die Entstehung von Menschen im Laufe der Entwicklung des Universums möglich gewesen ist, müssen die im Universum herrschenden Regeln und die Anfangsbedingungen sehr fein austariert worden sein. Dass es diese Feinjustierung der Bedingungen in unserem Universum gegeben hat, wird mit dem anthropischen Prinzip erklärt: Wir können nur ein solches Universum beobachen, dessen Gesetzmäßigkeiten und Anfangsbedingungen zuließen, dass der Mensch entstanden ist. Wenn man nun nicht annehmen will, dass das Universum mit der Absicht geschaffen wurde, uns Menschen hervorzubringen, so bleibt in Anlehnung an die biologische Evolution die spekulative Hypothese, dass unser Universum nur ein Universum unter sehr vielen anderen Universen ist, dessen Gesetzmäßigkeiten und Anfangsbedingungen zufälligerweise so gewesen sind, dass wir als Menschen entstehen konnten. Diese Vorstellung eines "Multiversums" aus sehr vielen Universen ist bei einigen Physikern sehr populär, während andere kritisieren, dass weitere Universen als unser eigenes Universum definitionsgemäß sich niemals beobachten lassen werden und eine rein spekulative Hypothese wie das Multiversum in einer empirischen Wissenschaft nichts verloren habe. Anstelle an die Existenz vieler paralleler Universen zu glauben, wäre übrigens auch denkbar, dass unser Universum wie ein Pendel zwischen einem "Urknall" und einem "Endplumps" hin und her schwingt und dabei in jedem Zyklus etwas anders aussieht. Und möglicherweise kennen wir bloß die inneren Zusammenhänge noch nicht, mit denen die Anfangsbedingungen und die Gesetzmäßigkeiten in jedem Universum verknüpft sind, sodass wir irrtümlich von einer zu großen Spannbreite möglicher Universen ausgehen.

Alle diese spekulativen Überlegungen können jedoch die Kernfrage nicht beantworten: Warum ist überhaupt etwas und nicht einfach nichts? So schwierig der Grund für unsere Existenz zu finden ist, so sicher ist die Einsicht, dass wir existieren müssen, um die Frage nach unserer Existenz stellen zu können. Ich kann alles bezweifeln, aber ich muss immer voraussetzen, dass ich es bin, der die Fragen stellt und über die Antworten nachdenkt. Der französische Gelehrte René Descartes (1596-1650) hat diese Einsicht in die berühmten Worte gefasst: Ego cogito, ergo sum.

Wenn nun die einzige Gewissheit, die wir haben können, darin besteht, dass wir existieren müssen, um über die Welt nachdenken zu können, drängt sich der umgekehrte Gedanke auf: Existiert die Welt nur deshalb, um von uns erkannt zu werden? Hat Douglas Adams (1952-2001) in seinem legendären Science-Fiction-Roman Per Anhalter durch die Galaxis vielleicht gar nicht so falsch gelegen, dass ein intelligentes Wesen einen Supercomputer gebaut hat, um die Antwort auf die Frage nach dem Universum, dem Leben und dem ganzen Rest zu finden - nur dass es keine Mäuse waren, die die Erde als Supercomputer gebaut haben, sondern ein göttlicher Demiurg, der ein Experiment mit unserem Universum veranstaltet, um herauszufinden, ob es möglich ist, dass die Welt sich selbst durchschaut? Wenn es so wäre, würde der göttliche Demiurg sein Experiment wohl abbrechen, wenn wir das letzte Welträtsel geknackt haben. Um unsere Existenz nicht aufs Spiel zu setzen, wäre es dann wohl besser, wenn wir die geheimnisvollen Schleier der Welträtsel nicht vollständig lüften würden ...  

Am Ende lautet die Antwort vielleicht auch enttäuschend einfach und gleichermaßen rätselhaft: 42

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