In den gemäßigten Klimazonen auf der Nord- und Südhalbkugel der Erde treten Atemwegsinfektionen seit Menschengedenken bevorzugt im jeweiligen Winterhalbjahr auf. Schon antike Autoren berichteten davon. Auch während der Corona-Pandemie waren die saisonalen Schwankungen in der Ausbreitungsdynamik des Corona-Virus SARS-CoV-2 sehr ausgeprägt. Die Gründe für diese jahreszeitliche Schwankung sind bis heute jedoch nicht vollkommen verstanden. 

Bei näherer Betrachtung ist es gleichwohl gar nicht so, dass sich Atemwegsinfektionen ausschließlich im Winterhalbjahr verbreiten (vgl. Überblicksartikel „Seasonality of Respiratory Viral Infections“). Es gibt einige Erreger von Atemwegsinfektionen, die ganzjährig oder bevorzugt im Sommer auftreten. Dieser Befund ist zunächst verwirrend, da der Verbreitungsweg für alle Atemwegsinfektionen prinzipiell gleich ist. Dass einige Erreger besser im Winter und andere besser im Sommer Verbreitung finden, liegt also vermutlich in Unterschieden auf Seiten der Erreger begründet. Daher wollen wir einen Blick auf einige bekannte Erreger von Atemwegsinfektionen richten: Bevorzugt im Winter breiten sich beispielsweise Corona- und Grippeviren sowie das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) aus, Adenoviren und Rhinoviren sind ganzjährig anzutreffen, während im Sommer bestimmte Enteroviren dominieren. Die Gruppen unterscheiden sich in einigen Punkten, wie aus untenstehender Tabelle hervorgeht.

Virus Durchmesser Lipidhülle Glykosylierung Erbmolekül Variabilität Immunität
Influenza-Viren 80 - 120 nm ja ja RNA hoch kurzzeitig
Corona-Viren 80 - 140 nm ja ja RNA hoch kurzzeitig
RSV 120 - 300 nm ja ja RNA mittel kurzzeitig
Adenoviren 70 - 90 nm nein gering DNA mittel langfristig
Rhinoviren 24 - 30 nm nein nein RNA hoch gering
non-rv Enteroviren 30 nm nein nein RNA hoch langfristig

 

Beim Vergleich der physiko-chemischen Eigenschaften der Viren fällt auf, dass die bevorzugt im Winter auftretenden Viren (Influenza, Corona, RSV) relativ groß sind, da sie eine Lipidhülle besitzen und zudem die auf der Virusoberfläche befindlichen Proteine mit vielen Zuckermolekülen („Glykosylierung“) ausgestattet sind, die den Viren das Eindringen in menschliche Zellen erleichtern. Die ganzjährig (Rhinoviren, Adenoviren) oder bevorzugt im Sommer auftretenden Viren (non-rhinovirus enteroviruses) haben dagegen keine Lipidhülle, besitzen kaum Zuckermoleküle und haben folglich einen viel kleineren Durchmesser.

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Immunologisch zeichnen sich die bevorzugt im Winter auftretenden Viren dadurch aus, dass der Mensch keine dauerhafte Immunität gegen diese Viren ausbilden kann. Ursache dafür ist die starke Glykosylierung der Virenoberfläche, die es dem menschlichen Immunsystem erschwert, ein langfristiges Immungedächtnis aufzubauen. Eine bereits durchgemachte Infektion oder eine Impfung bieten daher nur für einige Monate einen Infektionsschutz. Danach ist eine erneute Ansteckung möglich, wobei allerdings die Symptome meist schwächer als bei der Erstinfektion sind. 

Dass der Mensch gegen Grippe-, Corona- und RS-Viren nur eine kurzzeitige Immunität ausbilden kann, ist offenbar die Grundvoraussetzung für die wellenförmige Ausbreitung dieser Viren. Für ein stabiles Wellenmuster muss es jedoch noch einen zweiten Faktor geben, der dafür sorgt, dass im Herbst die Ausbreitung begünstigt und im Frühsommer gehemmt wird. Was steckt hinter diesem saisonalen Faktor?

Lösungsansätze:

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